SchülerClub: Polit-Theater auf dem Rücken der Eltern und Kinder
Das Trauerspiel um die Nachmittagsbetreuung an der Grundschule Nordenstadt (wir berichteten) hat ein neues Kapitel: Die Oppositionsparteien im Wiesbadener Rathaus (u.a. CDU, FDP und Freie Wähler) hatten einen Antrag zur Grundschulkinderbetreuung in die Stadtverordnetenversammlung am 13. Juli 2023 eingebracht. Sie hatten damit den unversorgten Nordenstadter Eltern Hoffnung gemacht, dass durch den Antrag die Betreuungssituation doch noch kurzfristig verbessert werden könnte. Der Antrag forderte die Stadtregierung auf „alles rechtlich mögliche“ zu tun, um „möglichst allen Schülerinnen und Schülern [in ganz Wiesbaden] im kommenden Schuljahr einen verlässlichen Betreuungsplatz in der Grundschule anbieten zu können.“ Eine unerfüllbare Forderung.
Weiter forderte die Opposition in ihrem Antrag die Stadtregierung auf, allen Betreuungseinrichtungen, die von der Umstellung auf den Pakt für den Ganztag betroffen sind, „kurzfristig Planungssicherheit zu geben, welche ihrer Angebote zukünftig von der [Landeshauptstadt Wiesbaden] kofinanziert werden und wie die Stadt die Übergangszeit gestalten und finanzieren möchte.“ Auch dies eine unerfüllbare Forderung, denn 2026 wird es für alle Erstklässler das Recht auf Ganztagsbetreuung geben – die Stadtregierung hätte nach diesem Beschluss wohl für fast alle Nachmittagseinrichtungen der Stadt in kürzester Zeit entsprechende Finanzierungskonzepte erarbeiten müssen.
Die Regierungskoalition aus Bündnis90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE und Volt hat den Antrag daraufhin geändert: sie wollen von der Stadtregierung wissen, welche Möglichkeiten der Erweiterung der Plätze schon geprüft wurden, auf welcher Grundlage sie verworfen wurden und warum eine Erhöhung der Plätze nicht möglich sein sollte. Damit stellt die Regierungskoalition – sehr verklausuliert – die richtige Frage: wer ist für die Entscheidung verantwortlich, dass der Pakt für den Nachmittag (und damit die Erhöhung der Betreuungsplätze) entgegen den Beschlüssen der Schulgremien um ein Jahr verschoben wird? Teil des gerichtlichen Vergleichs ist dies zumindest nicht, auch wenn das vereinzelt so dargestellt wurde. Hier der komplette gerichtliche Vergleich im Wortlaut:
Am Tag vor der Stadtverordnetenversammlung hatte der Nordenstadter Ortsbeirat einstimmig die Stadtregierung aufgefordert, die Verschiebung der Platzerweiterung um ein Jahr rückgängig zu machen. Mehrere Eltern waren bei der Sitzung des Ortsbeirats anwesend und hatten sich für die Erweiterung der Plätze stark gemacht. Auch bei der Stadtverordnetenversammlung waren mehrere Eltern zu Gast.
Am Tag nach der Stadtverordnetenversammlung empörten sich auf Facebook die Nordenstadter Stadtverordneten Rainer Pfeifer (CDU) und Christian Bachmann (Freie Wähler): Als „Einfach beschämend“ (Pfeifer) und „Peinliches Wegducken“ (Bachmann) bezeichneten sie das Vorgehen der Regierungskoalition. Manche äußerten Kritik und Unverständnis für den Nordenstadter Ortsvorsteher und Stadtverordneten Dr. Gerhard Uebersohn: er hätte mit seiner Stimme für die oben genannte Änderung des Oppositionsantrages in der Stadtverordnetenversammlung gegen den von ihm selbst befürworteten Beschluss des Ortsbeirates verstoßen. Vor dem Hintergrund der Nicht-Realisierbarkeit des Oppositionsantrags ist dieser Vorwurf allerdings schwer nachvollziehbar.
Schade ist allerdings, dass der Beschluss des Ortsbeirates nicht in die Beschlussfindung im Rathaus eingeflossen ist: vielleicht hätte er die Stadtverordneten noch überzeugen können, dass in Nordenstadt aktuell sehr wohl eine besondere Lage vorliegt, die die Stadtverwaltung mitzuverantworten hat. Denn im Gegensatz zu anderen schlechter versorgten Stadtteilen war in Nordenstadt eine Erhöhung der Plätze geplant und vorbereitet – bis dies überraschend um ein Jahr verschoben wurde.
Hier die beiden Anträge an die Stadtverordnetenversammlung:
Änderungsantrag von Bündnis90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE und Volt
Update vom 15. Juli 2023: In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass ab 2026 alle Kinder ein Recht auf Nachmittagsbetreuung hätten. Richtig ist, dass dieses Recht ab 2026 für alle Erstklässler*innen gilt, und dann in den folgenden vier Jahren auf alle Grundschüler*innen ausgeweitet wird.