Bürgerinformationsveranstaltung zur Flüchtlingsunterkunft: Alles wird gut!

Sozialdezernent Christoph Manjura (rechts, stehend) informierte die rund 100 Interessierten umfassend.

Rund 100 Interessierte waren auf die Bürgerinformationsveranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in die Taunushalle gekommen. In sachlicher Atmosphäre erläuterten Sozialdezernent Christoph Manjura mit Expert*innen von Flüchtlingsmanagement im Sozialamt (zuständig für Betrieb der Unterkunft und Leistungen), Stadtentwicklungsgesellschaft SEG (Gebäudeeigentümer und Umbau), Kirchen (Betreuung und Seelsorge) und Polizei (Sicherheit) alle geplanten Details. In der Unterkunft sollen ausschließlich Familien untergebracht werden. Freiwillige Helfer*innen sollen sich erst nach der Eröffnung im Juli bei den Kirchen oder in der Unterkunft melden.

Zunächst erläuterte Manjura den gesellschaftlichen Rahmen: derzeit sind rund 9.000 Geflüchtete in Wiesbaden, davon 2.650 Kinder und Jugendliche und rund 3.000 Ukrainer*innen. Außerdem seien es im vergangenen Jahr insbesondere Menschen aus Syrien (Krieg und politische Verfolgung), Afghanistan (Taliban) und der Türkei (Erdbeben, Krieg und politische Verfolgung) gewesen, die in Wiesbaden Schutz gesucht haben. Derzeit wird von monatlich 41 Neuankömmlingen ausgegangen, die tatsächliche Zahl lag zuletzt bei 30 pro Monat. Momentan kommen wieder viele Familien (Kinder, Eltern, Großeltern) aus der Ukraine. Von den 9.000 leben derzeit 2.339 in Gemeinschaftsunterkünften, weil sie keine Wohnung finden. Davon sind insbesondere Familien betroffen, weil Wohnungen in dieser Größe sehr schwer zu finden sind. Die Dauer der Unterbringung hängt von der Dauer des Asylverfahrens und von Wohnungssituation ab.

In Wiesbaden gibt es derzeit 48 Gemeinschaftsunterkünfte (GU), davon gelten 7 als GU.plus, weil sie für mehr als 250 Bewohner*innen ausgelegt sind. Dort wird bessere Betreuung geleistet, wie eine Ansprechperson vor Ort und einen 24-Stunden-Hausmeisterservice (mehr Informationen zu GU.plus hier). Einen zusätzliche Sicherheitsdienst wird es nicht geben, da es mit Ausnahme des bedauerlichen Vorfalls 2018 in Erbenheim in Wiesbaden bisher keinerlei Probleme mit der Sicherheit in Flüchtlingsunterkünften gegeben habe. Die Polizei führe allerdings regelmäßige Room Checks durch, insbesondere um zu prüfen, ob keine hausfremden Personen dort unterkommen.

Manjura betonte, dass Bürgerinformationsveranstaltungen in der Regel – wenn überhaupt von der Bevölkerung gewünscht – erst zur Eröffnung der Unterkünfte stattfinden, weil dann auch alle Informationen vorliegen, eine Versammlung mit so großem zeitlichen Vorlauf wie in Nordenstadt sei besonders.

Das Gebäude im Otto-von-Guericke-Ring passe aufgrund der großen Räume besonders gut für die Unterbringung von Familien, außerdem können dort aufgrund der Architektur auch gut Räume für Kinderbetreuung, soziale Betreuung und vieles mehr geschaffen werden. Es wird in jedem Fall auf ausreichend Freiräume geachtet, denn Enge kann auch zu Unmut führen. In der Einrichtung werden vier Arbeitsplätze geschaffen, die auch für Servicedienstleistungen in den weiteren Unterkünften in den östlichen Vororten zuständig sind. So können Wege und Anfahrtszeiten verkürzt werden.

Die Nachfrage, ob dort auch junge Männer oder unbegleitete Minderjährige untergebracht werden sollen, wurde klar verneint. Es sollen ausschließlich Familien untergebracht werden. Voraussichtlich werden die Familien eher länger in der Unterkunft leben, da es auf dem freien Markt keine bezahlbaren Wohnungen in dieser Größe gibt. Die Familien können also gut ins Ortsleben integriert werden.

Neben Flüchtlingen werden gelegentlich auch unfreiwillig Wohnungslose untergebracht, die zum Beispiel durch Hausbrand oder Überschuldung ihr Haus oder ihre Wohnung verloren haben. Auch hier werden es vorallem Familien sein, die dort besser wohnen können als in Hotels. Die medizinische Versorgung wird über die vorhandenen Systeme der Gesundheitsversorgung laufen, bisher klappt das laut Manjura auch gut.

Zivilgesellschaftliches Engagement zur Unterstützung der Geflüchteten ist gerne willkommen und wird vom Amt unterstützt, allerdings nur nach vorheriger Absprache. Interessierte können sich nach Eröffnung der Unterkunft bei der Hausverwaltung oder den Kirchen melden. Die Flüchtlinge sollen allerdings erstmal ankommen, danach ist Unterstützung gefragt: wie funktioniert was in Deutschland, Wiesbaden und Nordenstadt? Einkaufmöglichkeiten, Kultur, Mülltrennung, Hausordnung und vieles mehr muss erklärt werden. Keinesfalls sollen ohne Absprache Kleidersäcke oder anderes zur Unterkunft gebracht werden.

Roland Stöcklin von der SEG stellte zunächst die SEG kurz vor: sie ist zu 100% in städtischer Hand, verfolge also keine Gewinnabsichten. Die SEG habe bei der großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 innerhalb von drei Monaten 2700 Betten geschaffen: sie wisse daher, was sie tut, kenne die Gesetze, Bedürfnisse und Nöte der Flüchtlinge. Aktuell betreibe sie Häuser mit insgesamt 1500 Betten. Anschließend erläuterte er das Nordenstadter Gebäude aus dem Jahr 1992 näher: der südliche Parkplatz und der Innenhof werden begrünt und zur Aufenthaltsfläche, der westliche Parkplatz in Richtung des benachbarten Hotels bleibt als Parkplatz für die Verwaltung erhalten. Durch den Innenhof als Aufenthaltsfläche sei keine Lärmbelästigung der Nachbarn zu erwarten. Mit dem benachbarten Hotel sei bereits ein Termin vereinbart.

Das Gebäude stand weitgehend leer, als es der Stadt zum Kauf angeboten wurde. Da der vorherige Besitzer eigentlich einen Umbau plante, waren die meisten Mietverträge bereits gekündigt, die SEG hat keine Mietverträge gekündigt und hat dies auch nicht vor. Mit dem verbleibenden Mieter ist die SEG in konstruktiven Gesprächen. Das Gelände habe eine Größe von 6.000 Quadratmetern, ebenso groß sei die Bruttogeschossfläche. Die SEG hat das Gebäude am 1. Januar 2023 vom Vorbesitzer übernommen, über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, Gespräche liefen ab September. Da für den Kauf Eigenkapital der SEG verwendet werden musste, war vorab auch ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung erforderlich. Die Stadt mietet das Gebäude von der SEG für vorerst 15 Jahre.

Das Gebäude habe sehr gute Rettungswege und sei daher prädestiniert für eine Flüchtlingsunterkunft. Lediglich Duschen, Küchen und Gemeinschaftsräume müssen geschaffen werden. Der Haupteingang für die Bewohner*innen wird in der nordöstlichen Ecke liegen, der Eingang zur Verwaltung in der südwestlichen.

Die Finanzierung wird in erster Linie durch eine Pauschale vom Land gewährleistet, 2022 betrug diese 1066 Euro pro Monat und Geflüchteten, damit soll alles abgegolten sein. Nachfolgende Kosten wie Kita etc. sind damit allerdings nicht abgegolten, die in die Verantwortung der Kommune fallen (die Stadt trägt beispielsweise 70% der Betriebskosten und die Baukosten von Schulen). Die Kommunen organisieren sich allerdings gemeinsam, um eine bessere Finanzierung vom Land zu bekommen. Die Unterkunft wird nicht durch Nordenstadter Gelder finanziert. Der städtische Haushalt ist derzeit insbesondere durch allgemeine Kostensteigerungen belastet, die Unterkunft wird im Vergleich dazu nur kleine Einschnitte verursachen

Den Tagesabläufen in der Einrichtung wird so gut wie möglich Struktur geben, gerade wenn auch Integrationskurse gewartet werden muss. Ukrainer dürfen direkt in Integrationskurse. Zusätzlich gibt es seit 2016 ein kommunales Sprachförderprogramm. Außerdem das Selbstlernzentrum der VHS und weitere Angebote. Wichtiges Thema ist auch die Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen. Zu diesen Themen gibt es Beratungsangebote in den Unterkünften. Durch das Team Soziale Arbeit gibt es unter anderem sozialpädagogische Betreuung in den Unterkünften. Wichtige Themen sind insbesondere Spracherwerb und niederschwellige psychologische Begleitung bei Traumatisierung. Darüber hinaus gibt es auch Kurse bei Bildungsträgern

Pfarrer Frank Schindling berichtete mit Herzblut und Enthusiasmus von der kirchlichen Flüchtlingsarbeit und appelliert an die Menschlichkeit der anwesenden Bürgerinnen und Bürger: „Wir wissen nicht woher sie kommen, aber wir wissen, dass es Menschen sind. Sie kommen nicht aus Lust, sondern weil ihnen in der Ukraine Bomben um die Ohren fliegen, in der Türkei das Erdbeben die Wohnung geraubt hat, oder weil in Afghanistan wieder die Taliban herrschen.“

Er berichtete auch von riesige Hilfsbereitschaft im Jahr 2015, aber wichtig ist zuerst zu fragen: was braucht ihr? Die bereits in der Vergangenheit erfolgreiche „Blaue Wand“ soll auch weiterhin für zielführende Unterstützung sorgen (wir berichteten).

„Auch wenn sie hier fremd sind: sie kommen mit zwei Plastiktüten in ein fremdes Land“, so Pfarrer Schindling weiter, „wir wollen unsere christliche Werte leben und dem christlichem Auftrag gerecht werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir es gut hinkriegen, auch falls es gelegentlich Konflikte gibt. Die Kirche wird ihren Teil beitragen, und wir haben viele Ehrenamtliche, die schon seit 8 Jahren mi Herzblut und beeindruckendem Engagement dabei sind.“

Die Vertreter der Polizei berichteten, dass es in fast allen Stadtteilen Flüchtlingsunterkünfte gebe, die seien allerdings meist nicht bekannt, da es sich um einzelne Wohnungen oder kleinere Gruppen in Mietshäusern handele, um die Privatsphäre zu schützen. Abgesehen von dem tragischen Einzelfall in Erbenheim seien keine besonderen Probleme in größeren Unterkünften vorgekommen. Die Polizeiwache in Bierstadt ist rund um die Uhr besetzt und bei Bedarf erreichbar und schnell vor Ort. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte habe es in Wiesbaden glücklicherweise bisher gar nicht gegeben.

Im Polizeipräsidium gebe es seit einiger Zeit eine Präventionsabteilung die Infoveranstaltungen in Unterkünften zur Gesetzlage und zum kulturelles Zusammenleben anbietet.

Free-Artikel in der Frankfurter Rundschau: Wiesbadener Bürogebäude wird Unterkunft für Geflüchtete

Bezahl-Artikel im Wiesbadener Kurier: Flüchtlingsunterkunft in Nordenstadt: Das sind die Pläne

Bezahl-Kommentar im Wiesbadener Kurier: Hallo Nachbarn zur Flüchtlingsunterkunft: Gut vorbereitet