1. Mai 1914: Motor-Kraftwagen lösen Pferde-Omnibusse im Ländchen ab

Bildquelle: Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain

Mit der Überschrift „Kraftverkehr im blauen Ländchen“ berichtet die „Bierstadter Zeitung“ am 21. April 1914 über die geplante Einführung von Auto-Omnibussen, die die bisher üblichen Pferde-Omnibusse ablösen sollen. Hier der gesamte Bericht.

„Die Verkehrsverhältnisse des sog. „blauen Ländchens“ waren seither, trotz aller Bemühung um Verbesserung, die traurigsten. Die verschiedensten Eisenbahnprojekte wurden aufgestellt, kamen aber bis heute nicht zur Ausführung. Da griff die Bevölkerung zur Selbsthilfe und. . . hatte Erfolg. In einer im „Deutschen Haus“, Wallau abgehaltenen Versammlung
konnte Pfarrer Bömel bereits über einen Plan berichterstatten, dessen Aufführung die Gesamtbevölkerung wohl mit Freuden begrüßen wird: Vom 1. Mai ab (eigentlich schon einige Tage vorher) wird der Personenverkehr des Ländchens mittels Kraftwagen bewerkstelligt , welche uns sicher, rasch und billig nicht nur nach Erbenheim zur „Elektrischen“ und Staatsbahn, sondern auch nach Kastel-Mainz und Höchst-Frankfurt bringen. Naturgemäß gehen die Fahrten nach Erbenheim am zahlreichsten (es sind täglich vorläufig sieben Fahrten nach jeder Richtung vorgesehen); einmal geht’s nach Mainz und zweimal nach Höchst. Der Fahrpreis ist äußerst mäßig: er beträgt für die Strecke Wallau-Erbenheim 40 Pfennig, für die Teilstrecken Delkenheimer und Nordenstadter Weg- 35 bezw. 30 Pfg. Die Fahrzeit dauerte für die Strecke Wallau – Erbenheim nur 25 Minuten (gegen 1 Stunde seither). Da Zeit eben Geld und die Gelegenheit zum Fahren verdoppelt ist, dürfte die neue Auto-Omnibus-Einrichtung allseitig mit Freuden begrüßt werden. Der Wagen faßt 25 Personen; durch einen Anhängewagen ist der Transport von mehr als 40 Personen auf einmal gewährleistet. Die Sindlinger Verkehrs-Gesellschaft „Sivey“, an deren Spitze Fabrikant v. Meister-Höchst steht, ist Unternehmerin dieses neuen Verkehrs im Ländchen. Sie hat im Kreise Höchst bereits vier solche Kraftwagen fahren, welche besonders die Arbeiter nach und von ihrer Arbeitsstelle in Höchst usw. bringen. Die neue Einrichtung soll auch in besonderer Weise unserer Arbeiterbevölkerung dienen, die in Wiesbaden. Biebrich Amöneburg, Höchst usw. ihr Brot sucht. Für sie ist Fahrpreisermäßigung vorgesehen, ebenso für Schüler und sonstige Abonnenten (Wochenkarten). Die Versammlung erklärte sich mit dem vorgeführten Verkehrsplänen einverstanden. Man hofft, daß die gezeichneten Garantiegelder niemals in Angriff genommen zu werden brauchen und das Unternehmen sich von selbst tragen wird, zumal es der Gesellschaft weniger ums „Geschäftemachen“ zu tun ist, als um die Ausführung sozialer Gedanken. In diesem Sinne gab auch der anwesende Geschäftsleiter der „Sivey“ seine Aufklärungen. Wie sicher, rasch und angenehm sich die Fahrten durchs Ländchen gestalten werden, erfuhren die auswärtigen Versammlungsteilnehmer noch um Mitternacht dadurch, daß sie nach Schluß der Versammlung mittels eines Auto-Omnibusses nach Nordenstadt, Delkenheim und Massenheim verbracht wurden. Ja , das ist etwas anderes als eine Fahrt in dem seitherigen Pferde-Omnibus.

Quelle: Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain
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